Wenn die letzten Herbstpilze längst zu Eiszapfen erstarrt sind und der erste Schnee durch die kahlen Bäume rieselt, glauben die meisten Pilzsammler, die Saison sei vorbei. Ein Irrtum! Denn während Steinpilze und Pfifferlinge dem Frost nicht standhalten, beginnt jetzt erst die Zeit einer ganz besonderen Pilzgilde: der Winterpilze. Sie trotzen nicht nur Kälte und Eis – sie brauchen sie regelrecht, um zu wachsen. Mit diesen Tipps wird Pilze sammeln im Winter zum Vergnügen.
Pilze sammeln im Winter: Wenn der Frost die besten Delikatessen weckt
Pilzgänge in der stillen, verschneiten Winterlandschaft haben etwas Meditatives. Die Wälder sind menschenleer, die Natur scheint zu schlafen, und doch pulsiert in ihr verborgenes Leben. Wer jetzt Pilze sucht, braucht Geduld und einen geschärften Blick. Doch die Belohnung ist umso süßer: Winterpilze gehören zu den kulinarisch wertvollsten Arten überhaupt. Sie sind rar, sie sind robust, und sie schmecken außergewöhnlich intensiv.
Warum wachsen manche Pilze erst nach dem Frost?

Jeder Pilz hat seinen eigenen Wachstumszyklus und wartet auf ganz bestimmte klimatische Signale. Während die meisten Pilzarten warme, feuchte Bedingungen bevorzugen, sind Winterpilze wahre Kältespezialisten. Erst wenn die Temperaturen um den Gefrierpunkt pendeln, gibt das unterirdische Myzel – das eigentliche Pilzgeflecht – den Befehl zur Fruchtkörperbildung. Die Kälte ist ihr Trigger, ihre Lebensversicherung gegen Konkurrenz.
Meine Empfehlung: Ein Pilzmesser mit Holzgriff und Pinsel
Ein weiterer Vorteil: Im Winter gibt es kaum Verwechslungsgefahr. Während im Herbst Dutzende Pilzarten gleichzeitig wachsen, beschränkt sich das winterliche Sortiment auf eine Handvoll Arten. Für Anfänger ist das die ideale Zeit, um erste Sammelerfahrungen zu machen – vorausgesetzt, man weiß, wonach man suchen muss.
Vier essbare Winterpilze, die du kennen solltest
1. Der Austernseitling – König der Winterpilze

Der Austernseitling (Pleurotus ostreatus) ist zweifellos der Star unter den Winterpilzen. Mit seiner muschelförmigen, blaugrauen bis braunen Kappe und dem seitlich ansetzenden Stiel wächst er in dichten Büscheln an alten Laubbäumen – bevorzugt an Buchen, Pappeln oder Weiden. Oft findet man ihn an bereits geschwächten oder abgestorbenen Stämmen, wo er als Destruent seine wichtige Arbeit als Zersetzer verrichtet.
Was den Austernseitling so besonders macht, ist sein Geschmack: intensiv pilzig, leicht nussig und deutlich aromatischer als die Zuchtpilze aus dem Supermarkt. Wilde Exemplare sind eine absolute Delikatesse. Der Pilz ist zudem sehr ergiebig – eine einzige Fundstelle kann mehrere Kilogramm liefern. Er verträgt Frost problemlos und kann sogar unter einer Schneehaube weiterwachsen. Sammle ihn am besten von November bis März, in milden Wintern sogar bis in den April hinein.
Tipp: Achte auf den charakteristischen anisartigen Geruch frischer Austernseitlinge. Verwechslungen mit dem gelbstieligen Muschelseitling sind möglich – dieser gilt jedoch als ungenießbar.
2. Der Samtfußrübling – Asiens Heilpilz vor unserer Haustür

Wer schon einmal in einem asiatischen Restaurant Enoki-Pilze gegessen hat, kennt den Samtfußrübling (Flammulina velutipes), ohne es zu wissen. Die winzigen weißen Büschelpilze aus dem Asia-Laden sind allerdings Zuchtpilze, die unter Lichtausschluss in Flaschen wachsen. In freier Wildbahn sieht der Samtfußrübling völlig anders aus: leuchtend orange Hüte, schlanke braune Stiele mit charakteristischer samtiger Oberfläche – daher der Name.
Gehst Du zum Pilze sammeln im Winter halte Ausschau nach Totholz von Laubbäumen. Samtfußrüblinge wachsen oft in dichten Büscheln besonders gerne an alten Weiden, Pappeln oder Holunderbäumen. Man findet ihn von November bis März, selbst bei Minusgraden. Sein Geschmack ist mild-süßlich und erinnert leicht an ein weichgekochtes Ei – eine ungewöhnliche, aber sehr angenehme Note.
In der traditionellen chinesischen Medizin wird der Samtfußrübling seit Jahrhunderten als Vitalpilz geschätzt. Er soll immunstärkend wirken und enthält wertvolle Polysaccharide. Kulinarisch ist er äußerst vielseitig: ob in Suppen, Pfannengerichten oder als Beilage zu Fleisch – der Samtfußrübling bereichert jedes winterliche Menü.
Wichtig: Nur die Hüte verwenden, die Stiele sind meist zäh und faserig.
3. Das Judasohr – Der knorpelige Mu-Err-Pilz

Mit seiner skurrilen Form ist das Judasohr (Auricularia auricula-judae) unverwechselbar: violett-braune, ohrmuschelartige Fruchtkörper, die gallertartig und glänzend an Holunderästen kleben. Dieser Pilz wächst fast ausschließlich an Holunder, seltener an Weiden oder Pappeln, und ist das ganze Jahr über zu finden – im Winter jedoch besonders häufig und in bester Qualität.
Das Judasohr wird in der asiatischen Küche als „Mu-Err“ oder „Holzohr“ hochgeschätzt und ist fester Bestandteil vieler chinesischer Gerichte. Sein Geschmack ist mild bis neutral, doch die Textur macht ihn besonders: auch nach dem Kochen bleibt er leicht knackig-knorpelig mit einem angenehmen Biss. In Suppen, Wok-Gerichten oder sauer-scharfen Variationen entfaltet er seine Qualitäten.
Neben seinem kulinarischen Wert gilt das Judasohr in der Naturheilkunde als blutverdünnend und durchblutungsfördernd. Es enthält wertvolle Beta-Glucane und soll das Immunsystem stärken.
Sammel-Tipp: Schaue gezielt an alten, verletzten oder abgestorbenen Holunderbüschen nach. Das Judasohr ist völlig ungiftig und praktisch unverwechselbar.
4. Der Frostschneckling – Delikatesse der Kiefernwälder
Der Frostschneckling (Hygrophorus hypothejus) ist der Geheimtipp unter den Winterpilzen – weniger bekannt, aber nicht minder schmackhaft. Dieser gelblich-olivbraune Bodenpilz mit seinem schleimig-glänzenden Hut wächst ausschließlich in Symbiose mit Kiefern und erscheint erst nach den ersten Nachtfrösten, meist ab November.
Man findet ihn gesellig an Waldrändern und Wegen junger Kiefernbestände, oft in größeren Gruppen. Sein Geschmack ist mild-pilzig, die Konsistenz angenehm fest. Der Frostschneckling eignet sich hervorragend zum Braten, Schmoren oder als Zutat in winterlichen Eintöpfen.
Die schleimige Huthaut sollte vor der Zubereitung abgezogen werden – darunter verbirgt sich zartes, aromatisches Pilzfleisch. Der Frostschneckling ist ein wertvoller Speisepilz, der allerdings etwas Geduld beim Sammeln erfordert, da er nie in großen Mengen auftritt.
Erkennungsmerkmal: Der charakteristische schleimige, olive-gelbliche Hut und die Bindung an junge Kiefern machen ihn relativ leicht identifizierbar.
Wann und wo Pilze sammeln im Winter?
Die Hauptsaison für Winterpilze liegt zwischen November und Februar, in milden Wintern auch darüber hinaus. Milde Monate begünstigen das Wachstum, doch selbst nach Frostperioden können viele Arten weiterwachsen. Samtfußrübling und Austernseitling trotzen Temperaturen bis minus 10 Grad.
Suche gezielt an alten Laubbäumen, abgestorbenen Stämmen und Ästen. Für den Frostschneckling sind junge Kiefernbestände das richtige Terrain. Und vergessen Sie nicht, auch in Parks und Gärten nach Judasohr an Holunderbüschen Ausschau zu halten – oft wachsen sie direkt vor der Haustür.
Ein letzter Hinweis
Sammele Pilze nur, wenn Du sie einhundertprozentig bestimmen kannst. Im Zweifelsfall gilt immer: stehen lassen! Mit den vier vorgestellten Arten hast Du einen hervorragenden Einstieg in die faszinierende Welt der Winterpilze. Pilze sammeln im Winter. Bevor Du sie zum ersten mal für die Pfanne oder den winterlichen Eintopf sammelst, nimm Kontakt zu jemandem auf der sich richtig gut auskennt. Pilzsachverständige findest Du ganz in Deiner Nähe.
Tolle Rezepte findest Du hier in unseren Artikeln zu Steinpilzen und Waldpilzen.
Guten Appetit und viel Erfolg bei der winterlichen Pilzsuche!
Bilder von Jürgen, Andreas, Ngoc Huy Nguyen auf Pixabay