Seit Generationen stellen sich Pilzsammler die gleiche Frage: Soll ich die Pilze abschneiden oder herausdrehen? Schadest du dem Pilz, wenn du ihn herausdrehst? Beeinflusst dies gar das Wachstum oder den Fortbestand? Als Antwort habe ich einmal nach wissenschaftlichen Grundlagen recherchiert.
Pilze abschneiden oder herausdrehen?
Die Antwort hierzu lautet: Dem Pilz ist das egal. Aber ist das nur ein Bauchgefühl oder (m)eine Meinung? Nein, dies belegen mehrere Studien, die die Auswirkung der verschiedenen Arten der Pilzentnahme untersucht haben (s.u.). Die Studien liefen jeweils über lange Zeiträume, sodass äußere Einflüsse wie klimatische Schwankungen nicht relevant waren.. Von Aus Sicht des Sammlers gibt es jedoch gute Gründe, die für das Herausdrehen sprechen.
Zur Bestimmung Pilz herausdrehen
Der sichtbare Teil des Pilzes – also das, was wir als „Pilz“ bezeichnen und auch gerne verspeisen – sind lediglich die Fruchtkörper eines deutlich größeren Organismus. Es ist vergleichbar zu Äpfeln, die an einem Baum wachsen. Durch das Sammeln der oberirdischen Fruchtkörper nimmt das Pilzmyzel im Boden (vgl. Apfelbaum) grundsätzlich keinen Schaden.
Meine Empfehlung für den Einstieg: Grundkurs Pilzbestimmung
„Mit dem Grundkurs Pilzbestimmung hat Rita Lüder eines der meist gekauften Standardwerke zur Pilzbestimmung geschrieben. Dieses Buch war mein persönlicher Einstieg in die Mykologie und ist immer noch ein treuer Begleiter auf meinen Pilztouren.“
(Bastian, pilz-und-kraut.de)
Pilzbestimmung – immer den ganzen Pilz betrachten
Zur Bestimmung von Pilzen ist es unerlässlich, auch die Stielbasis zu betrachten. Schneidet man den Pilz ab, bleiben teilweise wesentliche Merkmale unentdeckt. Das wäre z.B. bei Knollenblätterpilzen sehr fatal. Anhand der charakteristischen Knollen sind sie als giftiger Verwechslungspartner gut zu identifizieren. Bleibt die Knolle jedoch im Boden, landet ein heller Knollenblätterpilz (Amanita phalloides) im schlimmsten Fall gemeinsam mit jungen Champignons in der Pfanne.
Auch kulinarische Gründe sprechen für die komplette Entnahme. So steckt der dicke Stiel von Steinpilzen (Boletus) oder auch die Stiele von Maronen Röhrlingen (Imleria badia) oft zu einem erheblichen Teil unter der Erde oder im Moos. Bei dünnfleischigen Pilzen mag das vielleicht nicht sonderlich ins Gewicht fallen. Schneidest Du bei einem Steinpilz jedoch nur den oberirdischen Teil ab, entgehen Dir teilweise enorme Mengen Pilzfleisch.
Nimm Rücksicht auf Pilz und Wald
Bitte achte stets darauf, die Pilze vorsichtig aus dem Boden zu entnehmen. Bist Du Anfänger oder möchtest einen Pilz bestimmen, berücksichtige dass die Stielbasis fest mit dem Myzel verbunden ist. Drehe den Pilz behutsam heraus damit möglichst wenig Myzel mitgerissen wird. Durch das Herausdrehen entsteht ein kleines Loch wodurch das Myzel an dieser Stelle frei liegt. Bedecke die Stelle einfach mit etwas Erde, Moos oder feuchtem Laub. So ist der Pilz weniger anfällig für Krankheitserreger und vor Trockenschäden besser geschützt. Er dankt es Dir im nächsten Jahr mit neuen Fruchtkörpern. Bist Du mit Kindern im Wald unterwegs, weise auch den Nachwuchs darauf hin.
Ein sehr empfehlenswertes Pilzbuch für Anfänger ist „10 Pilze“!
„Gute Fotos und anschauliche Beschreibungen machen das Buch ideal für Kinder! Mit gute Fotos und anschaulichen Beschreibungen ist dieses Buch ideal für Kinder! Ein wirklich guter Begleiter zum Pilze sammeln mit Kindern. Die beschriebenen Erkennungsmerkmale lassen sich im Wald wunderbar überprüfen.“
(Bastian, pilz-und-kraut.de)
Pilz Abschneiden nur für Fortgeschrittene Sammler
Schneidet man den Pilz ab, bleiben Dreck und Reste des Myzels im Boden. Weil das Myzel bei dieser Erntetechnik nicht freilegt wird, beugt man zum einen dem Austrocknen des unterirdischen Geflechts vor. Zum anderen hat man einen sauberen Pilz, der direkt ins Sammelkörbchen gelegt werden kann.
Das ist völlig okay, wenn Du den Pilz vorher eindeutig bestimmen konntest oder der Pilz mit Sicherheit keine Stielbasis besitzt (bspw. Baumpilze). Hier sprechen wir eindeutig von fortgeschrittenen Pilzsammlern mit viel Erfahrung. Anfänger sollten sich die Pilze jedoch immer im Ganzen anschauen, um giftige Verwechslungspartner ausschließen zu können. Für eine ausführliche Bestimmung müssen Pilze unbedingt herausgedreht werden.
Langzeitstudie aus der Schweiz
Zur Erntemethodik wurde in der Schweiz über 29 Jahre (1975-2003) eine Studie durchgeführt. In zwei Abschnitten eine 74 Hektar großen Reservats wurden alle sichtbaren Pilze, die am Boden wuchsen, zwischen Mai und Dezember geerntet, bestimmt und gezählt. In dem einen wurden die Pilze abgeschnitten, in den zweiten herausgedreht. In einem dritten (Kontroll-)Abschnitt wurde nicht geerntet. Um sicher zu gehen, dass keine projektfremden Sammler das Ergebnis verfälschten, war der gesamte Bereich umzäunt.
Im Ergebnis wurde belegt, dass die systematische Ernte weder die zukünftige Ernte noch die Artenvielfalt reduziert. Und zwar unabhängig davon, ob die Furchtkörper abgeschnitten oder herausgedreht wurden.
Falls Du Dir die Studie einmal genauer anschauen möchtest, findest Du sie unter folgenden Link:
Eine ähnliche Studie aus Nordamerika ging über einen Zeitraum von 12 Jahren und kam dem selben Ergebnis:
Bildnachweis
Photo by Anna Zakharova, Evgeni Tcherkasski on Unsplash
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